Wie man barrierefreie Printmedien gestaltet, die gut aussehen und noch besser wirken

Grafik eines barrierefreien Printprodukts, davor eine Lupe mit lachendem Gesicht.

Mit Druckprodukten einfach informieren, inklusiv kommunizieren und einen sichtbaren Unterschied machen.

 

»Wir wünschen uns, dass die Publikation barrierefrei gestaltet wird.«
Diese konkrete Vorgabe bekam ich bei einer Projektanfrage eines öffentlichen Auftraggebers. Es war das erste Mal für mich, dass dies bei einem Druckprodukt explizit gefordert wurde. Man spürt inzwischen: Barrierefreiheit rückt zunehmend in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Es spielt nicht nur im Onlinebereich eine Rolle, auch im Print wird vermehrt darauf geachtet. Gut so, wie ich finde!

Barrierefreie Gestaltung steht dem ästhetischen Anspruch nicht im Weg, wie manche Menschen zu glauben scheinen. Tatsächlich ist eher das Gegenteil der Fall (wie du noch sehen wirst). Ich gestalte schon seit Jahren Kinder(sach)bücher für junge Leser:innen. Hierbei achte ich besonders auf eine übersichtliche und gut strukturierte Schriftgestaltung (Typografie) – damit der Text nicht zum Hindernis wird. Größere Schriftgrößen, ausreichend Zeilenabstand und eine begrenzte Textmenge pro Seite sind bei Buchgestaltungen für Leseanfänger:innen durchaus üblich. Das lässt sich problemlos auf andere Medien und Zielgruppen übertragen. Die Wahrnehmung von Menschen ist sehr individuell. Warum also nicht versuchen, es jedem Menschen etwas leichter zu machen?

 

Ein Kindersachbuch für junge Leser mit einer sehr übersichtlichen Textgestaltung.

 

Es gibt unterschiedliche Stellschrauben, an denen du drehen kannst, um Printmedien barrierearm zu gestalten. Es lohnt sich, diese Richtlinien bei der kreativen Arbeit im Hinterkopf zu behalten, dann gelingt in Zukunft auch die erfolgreiche, inklusive Kommunikation.

 

Warum ist es von Vorteil, barrierefreie Printmedien zu nutzen?

 

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum es sich für dich lohnt, auch bei Druckprodukten auf Barrierefreiheit zu achten. Zum einen kannst du deine Zielgruppe vergrößern und mehr Kunden gewinnen. Denn du wirst auch von Menschen verstanden, die du vorher nicht erreicht hast, die aber Bedarf an deinem Angebot haben. Zum anderen kommt eine barrierearme Gestaltung jedem Menschen zugute, weil sie klar, strukturiert und gut verständlich ist. Du machst es allen Personen leichter, deine Themen zu verstehen, auch wenn andere Einflüsse die Informationsaufnahme erschweren, zum Beispiel schlechte Lichtverhältnisse, Stress, Müdigkeit etc. Und mal ehrlich: Wer kennt sie nicht, die schlechten Tage mit zu viel um die Ohren und auf den Augen?

Zur Barrierefreiheit im Netz gibt es mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) bereits rechtliche Vorgaben. Beachtest du das Thema auch in deiner restlichen Kommunikation, zeigst du Verantwortung und Gemeinschaftssinn. Das kann sich positiv auf deine Außenwirkung (deine Marke) auswirken und hat Vorbildcharakter. Für deine Kundschaft und auch für Mitarbeitende kann das attraktiv wirken. Kein schlechtes Argument in Zeiten des Fachkräftemangels 😉 Außerdem hebst du dich von der Konkurrenz ab, die das Thema verschläft, und bist für zukünftige Anforderungen in diesem Bereich besser gerüstet.

Immer wieder heißt es, barrierefreies Gestalten würde die Kreativität einschränken. Natürlich gibt es Dinge, die Du besser vermeiden solltest, aber ich sehe das nicht als Einschränkung. Sich der Herausforderung zu stellen und Barrierefreiheit und gutes Printdesign zu verbinden, kann zu neuen kreativen Lösungen und Sichtweisen führen, die dich und dein Unternehmen voranbringen. Und keiner sagt, dass du das alleine bewerkstelligen musst. Dafür gibt es schließlich professionelle Grafikdesigner:innen. Apropos professionell – du stellst auf diesem Wege auch sicher, dass deine visuelle Kommunikation fachkundig umgesetzt wird. Denn Überraschung: Barrierefreie Printmedien haben sehr viel mit hochwertiger Schriftgestaltung zu tun. Man muss also keine Abstriche bei der Ästhetik machen.

Wenn du ohnehin eine sehr große Bandbreite an Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen als Zielgruppe hast, solltest du nicht mehr überlegen, ob du das wirklich brauchst …

 

 

Barrierefreie Gestaltung und inklusive Gestaltung – das Gleiche? Nicht ganz. Es hat sich etabliert, von barrierefreiem Design zu sprechen, wenn man sich allgemein mit dem Thema Gestaltung für alle Menschen auseinandersetzt. Aber denkt man das weiter, müssten Printprodukte auch in Brailleschrift geprägt werden, um blinden Menschen die Nutzung ebenfalls zu ermöglichen. Außerdem müsste alles grundsätzlich in Leichter Sprache verfasst sein. Richtiger sind daher die Bezeichnungen »inklusives« oder »barrierearmes« Design, da man gestalterische Kompromisse eingeht und nicht alle Menschen erreicht.

 

 

Die Stellschrauben, um Printmedien barrierefrei zu gestalten

 

6 Tipps zu Schriften und Buchstaben

 

Die Schriftwahl spielt natürlich eine zentrale Rolle. Was eine gut lesbare Schrift ausmacht, erläutere ich dir ausführlich in meinem Artikel »5 Tipps für gut lesbare Schriften, die deinen Content unterstützen«.

Die Schriftgröße ist ebenfalls wichtig. Man liest immer wieder pauschale Größenangaben als Empfehlungen, z. B. zwischen 10 und 12 Pt. Das ist nicht völlig verkehrt, aber es gibt ein Problem: Bei gleicher Schriftgröße sind verschiedene Schriften trotzdem unterschiedlich groß.

Kleiner Schriftenvergleich gefällig?
Wenn die Myriad Pro 10,5 Pt und die Helvetica Neue 9,8 Pt groß sind, sind die Kleinbuchstaben beider Schriften etwa gleich hoch (in diesem Fall 1,8 mm).

 

 

Wenn du es genau wissen willst: Um die passende Größe auszuwählen, misst man die Mittellänge (auch x-Höhe genannt). Das ist die Höhe der Kleinbuchstaben ohne Ober- oder Unterlängen.
Bei normalem Betrachtungsabstand (40 cm) wird für Bücher oder Zeitschriften Folgendes empfohlen:
• mindestens 1,5 mm für normal sehende Personen
• ab 1,8 mm für Senioren und sehbeeinträchtigte Menschen bei einer Spaltenbreite unter 10 cm
• 2,1 mm bis 2,6 mm für Senioren und sehbeeinträchtigte Menschen bei einer Spaltenbreite über 10 cm

 

 

Der Zeichenabstand (Laufweite) zwischen Buchstaben sollte immer so gewählt sein, dass sie sich nicht berühren, aber auch nicht den Bezug zueinander verlieren. In Layoutprogrammen lässt sich das sehr fein einstellen. Serifenschriften (das sind die Schriften mit den kleinen Füßchen) benötigen etwa mehr Abstand als serifenlose Schriften. Kleine Texte wie Bildbeschriftungen, Fußnoten oder Ähnliches sollten ein wenig breiter gesetzt sein. Man muss allerdings jede Schrift individuell bewerten – ein geschulter Blick ist hier wichtig.

Gemischte Groß- und Kleinschreibung ist immer besser lesbar als nur Großbuchstaben (Versalien). Versalschrift ist meiner persönlichen Meinung nach gut geeignet für kurze, prägnante Überschriften, sollte aber niemals über mehrere Zeilen laufen. Man sollte den Zeichenabstand zwischen Versalien immer erhöhen, da sie sonst ineinanderlaufen können.

Hervorhebungen (Auszeichnungen) sollten nur sparsam verwendet werden und am besten in kursiv oder fett.

Ein kleiner Profi-Tipp am Rande (der eigentlich völlig banal ist): Teste deine Materialien, indem du sie in Originalgröße ausdruckst und zuschneidest. Ich mache das immer! Denn am Bildschirm kann ich zoomen, auf dem Papier nicht. Auch meine Kunden bitte ich regelmäßig darum, damit sie wirklich einschätzen können, wie groß Schriften, Bilder und Abstände sind.

 

Grafik zur Versalhöhe, x-Höhe, Zeilen- und Zeichenabstand

 

4 Tipps, die den Textsatz betreffen

 

Der Zeilenabstand ist eng verknüpft mit der Schriftgröße. Oberlängen (z. B. bei b, l oder h) sollten nie Unterlängen (z. B. von q, p oder g) anderer Zeilen berühren. Als Minimum gilt der Richtwert, dass der Zeilenabstand 120 % der Schriftgröße betragen sollte. Ich persönlich finde das oft zu eng und orientiere mich eher an 140 %. Längere Zeilen brauchen einen höheren Zeilenabstand. Aber Achtung: große Schriftgrößen, zum Beispiel bei Überschriften, brauchen keinen so großen Abstand.

Die Länge einer Zeile liegt im optimalen Fall zwischen 35 und 80 Zeichen. Mir dienen 60 Zeichen als guter Mittelwert.

Linksbündiger Flattersatz (mit sinnvoller Silbentrennung) ist leichter zu lesen als Blocksatz. Ich weiß: große Enttäuschung bei den Blocksatz-Fans. Viele Menschen lieben die geraden Kanten des Blocksatzes links und rechts, aber für die Leserlichkeit ist entscheidend, was in der Zeile passiert. Die Abstände zwischen den Wörtern werden ungleichmäßig und im schlechtesten Fall sieht es aus wie ein Lückentext. Blocksatz muss sehr gut nachbearbeitet werden, damit er gut lesbar ist.

Ränder und Abstände müssen ausreichend groß gewählt sein. Im Layout gelten 6 mm als Minimalabstand zwischen Bildern und Texten oder auch Textspalten. Ich bevorzuge bei Texten etwas mehr. Zusätzlich kann eine Linie zwischen Textspalten für eine klarere Trennung sorgen. Beim Seitenrand sollte man 1 cm nicht unterschreiten.

 

Grafik mit den wichtigsten Abstände beim Textsatz für barrierefreie Printmedien

 

Was man sonst noch beachten sollte

 

Farben und Kontraste haben einen starken Einfluss auf barrierefreie Printmedien. Schwarz und Weiß bilden natürlich den höchsten Kontrast, wobei dunkle Schrift auf hellem Untergrund leichter zu lesen ist als umgekehrt. Farben sollten immer einen ausreichenden Hell-Dunkel-Kontrast zueinander haben. Zur Überprüfung kann man den Kontrastrechner von leserlich.info nutzen. Wichtige Informationen sollten nicht allein über Farben vermittelt werden, da es zu Problemen für Menschen mit Farbenfehlsichtigkeit kommen kann. Schwierigkeiten mit Rot-Grün-Kombinationen haben etwa 4 Prozent der Bevölkerung.

Vermeide es, Texte auf Bilder zu platzieren, das kann ebenfalls die Erkennbarkeit beeinträchtigen – je unruhiger die Hintergründe, desto kritischer das Ganze.

 

 

Eine persönliche Ergänzung von mir: Besonders bei mehrseitigen Publikationen und Printmedien, wo Bilder nicht nur schmückendes Beiwerk sind, solltest du konsequent mit Abbildungsbeschriftungen arbeiten, um Verständlichkeit zu gewährleisten.

 

Buchseite mit Fotos von Kunstwerken und Bildbeschriftungen.

 

Das Papier für barrierefreie Printmedien sollte nicht zu glänzend sein. Wer kennt sie nicht die Hochglanzmagazine und -kataloge, die im wahrsten Sinne des Wortes blendend aussehen? Spiegelungen erschweren die Lesbarkeit erheblich, daher sind matte Papiere (weder zu grau noch hochweiß), die bessere Wahl.
Zusätzlich sollte Papier nicht zu durchscheinend sein und eine hohe Lichtundurchlässigkeit aufweisen (Opazität). Ist das Papier sehr dünn, scheinen die Texte und Bilder der nächsten Seite durch. Was außerdem hilfreich ist: registerhaltiges Arbeiten. Das bedeutet, Textzeilen stehen auf der Vorder- und Rückseite auf der gleichen Grundlinie. Generell ist es ratsam, beim Layouten ein Raster zu verwenden.

Bilder, Grafiken und Illustrationen sollten kontrastreich und gut erkennbar gestaltet werden. Achte vor allem immer darauf, dass Linien nicht zu dünn werden und »wegbrechen« und Icons eindeutig und nicht zu kompliziert sind.

Ich weiß, das waren jetzt sehr viele Informationen. Aber in der Gestaltung ist es wie im Leben: Alles hängt irgendwie zusammen. Wenn du diese Tipps beachtest und verinnerlichst, kannst du anfangen, kreativ damit zu arbeiten und neue Lösungen zu entwickeln.

 

Barrierefreie Printmedien sind ein Thema, das weiter wachsen wird

 

Im öffentlichen Bereich sind barrierefreie Printmedien schon präsent. Unsere Bundesregierung ist hier als Vorreiter unterwegs und hat sogar eine umfangreiche Informationsseite (mit ähnlichen Infos wie in diesem Beitrag) in ihren digitalen Styleguide aufgenommen.

Doch auch Unternehmen sollten inklusive Gestaltung nicht ignorieren, sondern sie in ihrer Kommunikation und ihrem Marketing verankern. Deine Kundschaft und Mitarbeitenden sehen, dass du dir Gedanken machst, und vielleicht kannst du deine Zielgruppe sogar erweitern. Wer sich jetzt aktiv damit auseinandersetzt, der kommt auch bei rechtlichen Änderungen in Zukunft nicht so schnell ins Schwitzen. Und barrierefreie Printmedien zu gestalten, ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt beim Abbau von Hindernissen.
Denn: Gut verständliche Printmedien bringen deine Informationen dahin, wo sie hinsollen, in den Kopf deiner Zielgruppe – und das als Expresszug und nicht als Tingelbahn!

Arbeitest du schon mit barrierefreien (bzw. -armen) Printmedien? Oder planst du das in Zukunft? Jetzt weißt du, worauf du achten musst. Wenn du dir professionelle Unterstützung bei der Gestaltung deiner Druckprodukte wünschst, dann vereinbare einen Termin mit mir und ich unterstütze dich dabei.

 

Quellen und weiterführende Links:
  • DIN 1450 (eine Norm, in der Vorgaben und Richtlinien zur Leserlichkeit festgelegt sind)
  • leserlich.info

 

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